Historischer Kulturfernwanderweg
Er ist 1.800 Kilometer lang und zieht sich von Le Poët-Laval in den südfranzösischen Alpen bis hin zum nordhessischen Bad Karlshafen an der Weser. Der Hugenotten- und Waldenserpfad ist die Route, auf der vor mehr als 300 Jahren Zehntausende Protestanten aus Südfrankreich und Waldenser aus den italienisch-piemontesischen Alpentälern wegen der Unterdrückung ihres Glaubens geflohen waren. Nach vielen Jahren wurde im April 2012 der letzte Abschnitt des europäischen Kulturfernwanderwegs in Baden-Württemberg eröffnet.
«Der historische Kulturfernwanderweg ist für uns ein Gegenstück zu den klassischen Pilgerwegen», sagt Renate Buchenauer vom Verein «Hugenotten- und Waldenserpfad». Die Koordinatorin für den in Deutschland rund 800 Kilometer langen Pfad sieht in der Wanderrote auch «einen Weg zum Protestantismus und der Toleranz», der nicht nur auf die Spuren der Glaubensflüchtlinge von damals hinweisen soll. «Mit dem Weg soll auch das Thema Migration behandelt werden», sagt Buchenauer, die selbst von einer hugenottischen Familie abstammt. Geplant seien dazu unter anderem kulturelle Veranstaltungen sowie Schau- und Informationstafeln, die auf das Thema Flucht und Sesshaftigkeit hinweisen.
«Unser Logo ist die weiße Silhouette eines wandernden Hugenotten mit Rock, Schlapphut und Stock vor einer blauen Scheibe», sagt Buchenauer. Dem Verein gehören Kommunen, Landkreise, Kirchengemeinden, Wander- und Kulturvereine sowie Unternehmen an. Mehrere hundert Menschen hätten in den vergangenen Jahren in Hessen und Baden-Württemberg an der Gestaltung des Pfades mitgewirkt, erzählt die Vereins-Koordinatorin. Das Hugenottenbild stamme von einem historischen Kupferstich und damaligen Erkennungsmünzen, mit denen sich die verfolgten Protestanten auf ihren geheimen Zusammenkünften oder bei heimlichen Gottesdienstfeiern ausweisen mussten, sagt Buchenauer. Die Mitarbeiter markieren den Wanderpfad mit der blauen Scheibe, die die historische Erkennungsmünze (méreau) symbolisiert, und einer geschwungenen grünen Linie für den Pfad «als Zeichen für den langen Weg, den die Flüchtlinge damals gegangen waren».
Der Hugenotten- und Waldenserpfad führt zu zahlreichen Fachwerkhäusern und Kirchen, die etwa in den nordhessischen Orten Gottstreu, Gewissenruh und Schöneberg oder in den baden-württembergischen Gemeinden wie Pinache, Perouse, Neuhengstett, Simmozheim oder Großvillars zum Teil noch französische Inschriften tragen. Wo die Flüchtlinge ansässig wurden, werden mancherorts noch heute bei größeren Feiertagen Gottesdienste auf Französisch gehalten.
Waldenser und Hugenotten unterscheiden sich in Geschichte und Theologie, teilten aber eine Verfolgungs- und Fluchtgeschichte. Die Waldenserbewegung entstand im 12. Jahrhundert in Südfrankreich, wurde über Jahrhunderte verfolgt und schloss sich Mitte des 16. Jahrhunderts der Reformation an. Die Hugenotten waren von dem Reformator Johannes Calvin beeinflusste Protestanten im Frankreich der vorrevolutionären Zeit. Sie wurden ebenfalls verfolgt und flohen vor allem zum Ausgang des 17. Jahrhunderts in großer Zahl in protestantische Gebiete.
Der Hugenotten- und Waldenserpfad führt auf einer Gesamtlänge von 1.800 Kilometer von Südfrankreich und Norditalien über die Schweiz bis ins nordhessische Bad Karlshafen. Im Schwarzwald können Wanderer zwischen Calw und der Staatsgrenze bei Schaffhausen auf den Wanderwegen des Schwarzwaldvereins - «Gäurandweg», «Ostweg» und «Querweg», dazwischen auch auf dem «Neckarweg» - den Themenschildern folgen. Von Calw nach Norden beginnt dann die Markierung mit einem eigenen Zeichen. Im September dieses Jahres ist eine grenzübergreifende Wanderveranstaltung im Raum Schaffhausen-Hegau geplant.
(Quelle: epd/Ralf Schick)